Die Entdeckung
Im Jahr 2023 erwarb ein Kunstsammler eine italienische Holzskulptur, die aus dem 16. Jahrhundert stammt und laut dem Verkäufer angeblich eine „Petrus“-Figur darstellen soll. Er wandte sich zur weiteren Expertise an renommierte Kunsthistoriker mit der Bitte um eine fundierte Analyse. Es sollte geklärt werden, ob es sich tatsächlich um ein Werk aus dem angegebenen Zeitraum handelt, wer sein Schöpfer gewesen sein könnte und ob es sich um eine Petrus-Figur handelt.
Aufgrund umfangreicher, langwieriger Recherchen (u.a. Schriften Giorgio Vasari, Universalgenie, Künstler und Künstler-Biograph) gelangte man jetzt zu folgender bahnbrechender Erkenntnis:
Es handelt sich um ein Original aus der Hand von Michelangelo. Das Werk stellt den italienischen Papst Julius II. dar und bezieht sich auf die große Bronze-Statue, die Michelangelo für das Hauptportal der Basilika San Petronio in Bologna schuf. Sie wurde allerdings im Zuge von Bürgerunruhen zerstört und somit gilt die wiederentdeckte Holzfigur als einziges Zeugnis eines weiteren Meisterwerkes von Michelangelo.
Die Kunsthistoriker sind überzeugt, mit der Holz-Skulptur der Kunstgeschichte einen äußerst wertvollen Blick in die Schaffenswelt Michelangelos zu ermöglichen.
Giorgio Vasari hat diese Figur in seinen Schriften „Die Leben der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten” als das Werk Michelangelos wie folgt beschrieben und war von der Meisterschaft beeindruckt:
Das Gesicht, die Haltung und der Gestus des rechten Arms: „Animo, forza, prontezza e terribilita…“ Insgesamt lobte er „…usó arte bellissima nella attitudine, perché nel tutto avea maestá e grandezza…“
Interessant erscheint den Kunsthistorikern zudem eine Zeichnung, die sich im sogenannten „Rothschild Codex“ befindet. Der Kunsthistoriker Norbert Huse hat dieses Dokument in seinen Schriften „Miszellen“ umfassend beschrieben und publiziert.
„Ein Bilddokument zu Michelangelos Julius II. in Bologna (Seiten 355- 358).” „Für mehr als drei Jahre stand eine Bronzestatue Michelangelos, die Julius II. darstellte, über dem Hauptportal von San Petronio in Bologna. Sie war etwa drei, vier Meter hoch. Geblieben ist nichts von ihr. Über ihr Aussehen berichten mehrere Chronisten, aber die Aussagen bleiben summarisch. Eine Nachzeichnung ist meines Wissens (N. Huse) bisher nicht aufgetaucht.“
Norbert Huse
Norbert Huse (1941–2016) war ein renommierter deutscher Kunsthistoriker, der sich besonders mit der Architektur und Kunst der Renaissance und des Barocks beschäftigte. Er galt als Experte für die Kunstgeschichte Italiens und veröffentlichte zahlreiche Arbeiten über bedeutende Bauwerke und Künstler dieser Epoche. Huse war Professor für Kunstgeschichte an der Technischen Universität München und war in der Forschung und Lehre sehr angesehen.
Sein bekanntestes Werk ist das Buch “Michelangelo und die Fassade von San Lorenzo”, in dem er sich intensiv mit den architektonischen und historischen Aspekten von Michelangelos unvollendeter Fassade der Kirche San Lorenzo in Florenz auseinandersetzt. Huse hat sich auch mit der Stadtarchitektur und der Entwicklung öffentlicher Räume in der Renaissance beschäftigt.
Durch seine Arbeiten trug er maßgeblich zum Verständnis der Kunstgeschichte, insbesondere der Architekturgeschichte, bei.